Ein großer Saal mit vielen Leuten. Es wird gerade eine Rede gehalten. Auf einer Leinwand werden Bilder zum Thema "Arbeiten in der Förderstätte" gezeigt.

Neues bei der GPS

Wenn die Inklusion an der Arbeitswelt scheitert

Fachtag Tagesförderstätten: Es braucht einen Wandel zu mehr Teilhabe im Sozialraum

Nach einer inklusiven Schulzeit folgt der Bruch: In Tagesförderstätten sind Menschen mit schweren Behinderungen oft unter sich. Dabei kann auch für sie die Teilhabe am Arbeitsmarkt funktionieren, sagt Referent Heinz Becker. Beim Fachtag in der Jade Hochschule gab er Anreize, was Fachkräfte künftig anders machen können.
Ein großer Saal mit vielen Leuten. Es wird gerade eine Rede gehalten. Auf einer Leinwand werden Bilder zum Thema "Arbeiten in der Förderstätte" gezeigt.
Referent Heinz Becker sprach beim Fachtag in der Jade Hochschule über die Zukunft der Tagesförderstätten.

Sascha war 18 Jahr alt, als seine Familie erkennen musste, dass der Traum von Inklusion ein Ende hatte. Während die Eltern mit viel Kraft und rechtlichem Beistand sowohl den Besuch einer Regel-Kita als auch einer Regel-Schule für ihren schwerstmehrfachbehinderten Sohn erstritten hatten, scheiterten sie nun an den fehlenden Möglichkeiten. „Es gibt keine inklusive Arbeitswelt“, beschreibt Heinz Becker das Problem, vor dem viele Eltern stehen. Beim Fachtag Tagesförderstätte für Mitarbeitende der GPS rief der Sozialpädagoge in einem Vortrag zu einem Paradigmenwechsel auf.

Becker ist Bereichsleiter einer Tagesförderstatte und Lehrbeauftragter der Hochschule Bremen. „Wir werden in Zukunft immer mehr Menschen wie Sascha erleben“, sagt er. Menschen, die während ihrer Kindheit und Jugend Inklusion erfahren durften, in Schule oder Vereinsleben dazugehörten, deren Sozialraum die „normale“ Lebenswelt sei – und denen das, was die Tagesförderstätten oftmals böten, nicht mehr ausreiche.

Orte finden, an denen die Menschen eingebunden werden

Menschen wie Sascha bleibt der Weg in eine Werkstatt versperrt, weil sie nicht das gesetzlich geforderte „Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeit“ erbringen können – und doch möchten sie auch dank ihrer Biografie weiterhin aktiv an der Gesellschaft teilhaben. Laut Becker ist die Personzentrierte Teilhabe im Sozialraum das Schlüsselwort, um dies zu ermöglichen: „Für viele dieser Menschen können wir anregende, offene Orte finden, an denen sie eingebunden werden.“

Becker nannte in seinem Vortrag einige Beispiele wie das einer jungen Frau mit stark ausgeprägtem Autismus, die einmal in der Woche zum Sortieren von Korken zur Geschäftsstelle des Naturschutzbundes fahre. Andere helfen in einer Fahrradwerkstatt, in dem sie Kartons zerkleinern. Jobs, die auf den ersten Blick keine sind, von den Fachkräften künftig aber als solche erkannt werden sollten. „Wir müssen uns im Sozialraum auskennen, vernetzt sein und kreativ Ideen entwickeln, um Begegnung und Teilhabe zu ermöglichen.“

Zufriedenheit statt Förderziele

Einen Fahrplan, wie das gehen kann, hat Becker nicht: „Teilhabe ist individuell. Wie wir all das umsetzen, müssen wir in der Praxis beantworten.“ Sicher sei, dass die Behindertenhilfe ein neues Selbstverständnis brauche, sich von der Idee verabschieden müsse, Menschen lebenslang zu fördern. „Wir haben es mit Erwachsenen zu tun und die haben ein Recht auf Teilhabe, egal, wie sie sind.“ So müsse nicht mehr das Erreichen von Förderzielen im Mittelpunkt der Arbeit stehen, sondern die Zufriedenheit der Menschen, die betreut werden.

In diesem Zusammenhang muss laut Becker künftig auch über eine individuelle Form der Anerkennung gesprochen werden. „In Tagesförderstätten gibt es keinen Lohn. Aber die Menschen erbringen eine Leistung und dafür sollen sie auch etwas bekommen.“ Eine Bezahlung sei rechtlich aktuell nicht möglich, wieder sei Kreativität gefragt. Ein gemeinsamer Kaffee nach der Arbeit in der Werkstatt, ein Stempelheft oder etwas Besonderes vom Bäcker – es gebe viele Möglichkeiten, die erbrachte Arbeit zu honorieren.

Rückendeckung der Leitungen nötig

In drei Workshops erarbeiteten die Teilnehmer anschließend Möglichkeiten, wie sich die Arbeit in den Tagesförderstätten verändern kann. „Der Wandel geht immer von den Menschen mit Behinderungen und ihren Familien aus, nicht von den Fachkräften“, sagt Becker, „sie waren es, die die Integration in den Kitas durchgesetzt haben, die leichte Sprache gefordert haben.“ Nun seien es Menschen wie Sascha, die eine Veränderung in den Tagesförderstätten nötig machten. „Die Fachkräfte an der Basis müssen diesen Wandel tragen. Aber dafür brauchen sie auch die Rückendeckung der Leitungen.“

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