Erst die Nudeln, dann die Carbonara-Soße. Ein Teller, dann der nächste und dann noch einer: Ali Kara-Ali steht hinter der Ausgabe der GPS-Werkstätten für behinderte Menschen und teilt konzentriert das Essen aus. Für den Inhaber des Restaurants L’Orient in der Wilhelmshavener Südstadt ist das eine neue Erfahrung. Für den Aktionstag „Schichtwechsel“ schaut er sich einen Tag lang die Arbeit in der Werkstatt an, arbeitet Seite an Seite mit den Beschäftigten und erlebt, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten es zwischen diesem geschützten Rahmen und seinem Alltag in der Gastronomie gibt.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e.V. ruft einmal im Jahr zu einem Perspektivwechsel auf. In ganz Deutschland tauschen Menschen mit und ohne Behinderung den Job und lernen die jeweils andere Arbeitswelt kennen. „Mir war nicht bewusst, wie gut das hier alles ausgestattet ist“, sagt Ali Kara-Ali. Seine Tauschpartnerin, Chantal Manke, hat ihn am Morgen in der Küche begrüßt, nimmt ihn mit durch ihren Arbeitsalltag.
Zuerst stand die Vorbereitung des Mittagessens auf dem Plan. Das Team der Hauswirtschaft verpflegt die Kollegen aus den Werkstätten und der Tagesförderstätte. Fachkräfte unterstützten die Menschen mit Behinderung dabei, leiten an, erinnern an Abläufe. „Es ist spannend, wie unterschiedlich die Kollegen sind“, sagt Ali Kara-Ali. Jeder bekomme eine Aufgabe, die zu dem passe, was er leisten könne. Von einfachen Hilfsaufgaben bis zur Abrechnung sei alles dabei, „das ist fast besser organisiert als ein normaler Betrieb“.
Im Gegensatz zum Arbeitsalltag in der Gastronomie gebe es aber sehr viel Hilfe und Unterstützung. „Hier muss man immer wieder aufs Neue erklären und verteilen. Dann funktioniert es sehr gut“, sagt er. „Im Restaurant kann ich den Angestellten natürlich nicht immer sagen, was sie tun sollen, das müssen sie selbstständig machen.“
Nachdem das Mittagessen ausgegeben und das Geschirr gespült ist, endet für Ali Kara-Ali sein Teil des Schichtwechsels. Er sei ohne große Erwartungen hergekommen und sehr überrascht von dem, was in der Werkstatt alles geleistet werde, wie fleißig die Menschen und wie gut ausgestattet die Küche und auch die anderen Bereiche wie die Tischlerei oder die Metallverarbeitung seien. „Das echte Arbeitsleben ist schon etwas ganz anderes“, räumt er ein, „aber ich finde es toll, dass die Menschen hier die Chance bekommen, nach ihren Möglichkeiten zu arbeiten.“
„Ich bin wahnsinnig aufgeregt“, sagt Chantal Manke zum Abschied. Nachdem sie Ali Kara-Ali ihren Arbeitsplatz gezeigt hat, ist sie später mit ihm im L’Orient verabredet. Das Ziel: Nachdem sie das Restaurant kennengelernt hat, soll sie von 17 bis 20 Uhr mitarbeiten – so gut und so lange es für sie geht. „Das wird stressig, wir sind voll ausgebucht“, sagt Ali Kara-Ali, „aber zusammen kriegen wir das hin“.
Damit sollte der Gastronom Recht behalten. Nachdem Chantal Manke sich in der Küche des Restaurants umgeschaut hatte, durfte sie bei der Zubereitung einer Nachspeise helfen. Anschließend zeigte ihr Hassan Kara-Ali, wie Profiköche Petersilie hacken und sie probierte es selbst aus. Die Petersilie und andere Zutaten brauchte sie später, um gemeinsam mit Miran Khalil ein Tabouleh zuzubereiten – eine libanesische Spezialität.
„Hier wird anders gearbeitet als bei uns in der Werkstatt. Es geht alles viel schneller, aber es macht Spaß“, sagte Chantal Manke. Sie half mit, kalte Vorspeisen vorzubereiten und die ersten Teller anzurichten während um sie herum der übliche Stress in der Gastronomie herrschte. Die junge Frau ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen – das fiel auch Ali Kara-Ali auf: „Sie war sehr aufgeregt, aber sie ist eine beeindruckende junge Frau die den Willen hat, das zu schaffen. Sie ist super motiviert und engagiert. Deshalb freut es mich umso mehr, dass sie heute bei uns ist.“