Die FSJ-lerinnen Noelle Adler (19) und Aylin Bayri (18) gehören zum Team der Vorschulgruppe des Kindergartens Leuchtfeuer der GPS. Dort unterstützen sie die Fachkräfte in ihrer Arbeit mit den Kindern. Und auf diese Unterstützung ist die Einrichtung angewiesen. „Wenn wir keine Hilfe von den jungen Leuten hätten, könnten wir unserer Arbeit zwar machen, aber wir könnten nicht mehr so sehr auf individuelle Bedürfnisse der Kinder eingehen“, sagt Sylvia Ehrhardt, Leiterin des Kindergartens Leuchtfeuer. Und viele der insgesamt 95 Kinder, die im Leuchtfeuer betreut werden, haben besondere Bedürfnisse. Deshalb hatten Noelle und Aylin am Mittwochvormittag eine andere Aufgabe, als bei den Vorschülern zu sein.
Sie trafen sich mit der SPD-Bundestagsabgeordneten Siemtje Möller, zeigten ihren Arbeitsplatz und erzählten von ihren Aufgaben. In diesem Jahr sind 114 FSJler*innen in den verschiedenen Einrichtungen der GPS beschäftigt. Im Kindergarten Leuchtfeuer sind es 20. Wenn es nach den aktuellen Plänen der Bundesregierung geht, werden es im kommenden Jahr aber nur noch 15 sein.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat alle Ministerien mit Ausnahme des Verteidigungsministeriums zum Sparen ermahnt. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, in dessen Zuständigkeitsbereich die Freiwilligendienste fallen, hat daraufhin vorgeschlagen, im kommenden Jahr 78 Millionen Euro im Bereich der Freiwilligendienste zu kürzen. Im Jahr 2025 dann noch einmal zusätzliche 35 Millionen Euro. Das würde für die GPS bedeuten, dass jede vierte FSJ-Stelle wegfiele.
„Und das, obwohl der Bedarf an Betreuung steigt, erst recht nach der Corona-Pandemie“, betonte Sylvia Ehrhardt gegenüber der Politikerin. Immer mehr Vorschüler*innen zeigten auffälliges Verhalten. Eine Gruppe ist aber lediglich mit einer pädagogischen Fachkraft und einer Hilfskraft finanziert. „Wir brauchen die jungen Leute ganz dringend“, lautete der Appell der Einrichtungsleiterin. Ohne die Freiwilligendienstler gäbe es kaum noch die Möglichkeit, dass mit einem einzelnen Kind gespielt oder mal nur einem Kind etwas vorgelesen wird, wenn es nötig ist. Für die Kinder im Leuchtfeuer ist das aber besonders wichtig.
In einer Petition, die von mehr als 100.000 Menschen unterzeichnet wurde, hatten soziale Träger Verbesserungen für die FSJler*innen gefordert. Unter anderem sei das Taschengeld, das sie monatlich für die Arbeit in Vollzeit verdienen, nicht angemessen – schon gar nicht in Zeiten der extremen Inflation. Nachdem die Sparpläne der Bundesregierung bekannt wurden, gab es bereits Protestveranstaltungen und viel Berichterstattung in den Medien.
Um seinem Anliegen im persönlichen Gespräch Nachdruck zu verleihen, hatte Christian Künken als Abteilungsleitung Freiwilligendienste und Ehrenamt bei der GPS nun Siemtje Möller und andere Bundestagsabgeordnete eingeladen, um ihnen die Situation vor Ort vor Augen zu führen. Die SPD-Politikerin aus Varel war die einzige, die der Einladung gefolgt ist. Alle anderen betonten lediglich schriftlich, dass ihnen das Thema wichtig sei.
Künken äußerte nicht nur seine Bedenken im Hinblick auf die Auswirkungen für die einzelnen Einrichtungen, sollte es tatsächlich zu der Kürzung kommen. Er sieht auch ein anderes Problem auf die Gesellschaft zukommen. „Die Freiwilligendienste sind das größte Recruiting-Programm in ganz Deutschland. Denn gerade im sozialen Bereich finden viele junge Menschen, die nach der Schule noch unentschlossen sind, was die Berufswahl angeht, durch ein FSJ in die soziale Arbeit“, sagte er. Wenn gerade diese Stellen nun gekürzt würden, hätte das nach seiner Ansicht auch dramatische Auswirkungen auf das ohnehin schon große Problem des Fachkräftemangels.
Ani Bachtadze ist das beste Beispiel für den von Künken beschriebenen Weg. Sie kam nach der Schule für ein FSJ in den Kindergarten Leuchtfeuer, fand so viel Freude und Erfüllung in der Arbeit mit den Kindern, dass sie sich anschließend für ein Studium Management Sozialer Dienstleistungen entschied und schließlich ins Leuchtfeuer zurückkam. Dort ist sie nun unter anderem zuständig für die FSJler*innen.
Sylvia Ehrhardt betonte den großen Mehrwert, den ein FSJ auch für die jungen Menschen selbst hat. „Es ist immer wieder toll zu sehen, wie sie in diesem Jahr wachsen, ja geradezu erwachsen werden und wichtige Erfahrungen für ihr ganzen Leben sammeln“, sagte sie.
Siemtje Möller hörte aufmerksam zu. Sie versprach, in der kommenden Woche in Berlin mit ihren Kollegen zu sprechen und gemeinsam zu versuchen, eine Lösung zu finden. Klar sei jedoch: wenn nicht bei den Freiwilligendiensten gespart werden soll, „müssen wir einen Gegenvorschlag präsentieren, denn wir haben einfach nicht mehr Geld zur Verfügung“.
Sie sagte: „Alles, was sie mir gezeigt haben, ist richtig und wichtig. Und die am Ende gesparte Summe wäre vergleichsweise klein, hätte jedoch große Auswirkungen auf das Leben der betroffenen Kinder.“ Möller verabschiedete sich mit der Aussicht darauf, sich zu kümmern und Rückmeldung darüber zu geben, wie die weitere Entwicklung zu dem Thema in Berlin verläuft.