Das erklärt, warum der bisherige Leiter des Geschäftsbereichs Wohnen der GPS in den vergangenen 34 Jahren ausschließlich in diesem Bereich gearbeitet hat. Hier habe er schon bei seinem Start im Jahr 1991 die meisten Entwicklungsmöglichkeiten gesehen.
Angefangen hat Jörg Namuth als Gruppenleiter in der Wohnstätte Tannenhof in Wilhelmshaven. Der gelernte Erzieher begann, berufsbegleitend Sonderpädagogik zu studieren. Mit der Arbeit bei der GPS finanzierte er sein Studium. Nach zwei Jahren im Tannenhof wechselte er in die Wohnstätte Edewecht und übernahm dort nach nur einem Jahr die stellvertretende Einrichtungsleitung, später dann die kommissarische Einrichtungsleitung. „Wir haben dort damals als erste Wohneinrichtung innerhalb der GPS das Gruppenprinzip eingeführt“, erzählt er. Der GPS-Gründer und damalige Geschäftsführer Gerhard Haack sei davon zunächst nicht gerade angetan gewesen. „Aber es ist mir gelungen, mit nur einer zusätzlichen halben Stelle das Gruppenprinzip einzuführen. Das hat ihn dann überzeugt“, erinnert sich Jörg Namuth.
Fortan lebten die Menschen in den Wohnstätten in kleineren Wohngruppen zusammen. Sie bekamen ihre eigene Küche, in der sie auch gemeinsam mit den Fachkräften Mahlzeiten zubereiteten. Außerdem wurden sie in die hauswirtschaftliche Arbeit mit einbezogen. „Das war eine große Umstellung für alle“, weiß Jörg Namuth. Hatte das Leben in der Wohnstätte zuvor eher einen Hotelcharakter, änderte sich das grundlegend. „Es musste praktisch jeder alles machen.“
Im Jahr 2000 wechselte der heute 64-Jährige in den begleitenden Dienst innerhalb der Verwaltung der GPS. Es ging dort unter anderem um die konzeptionelle Weiterentwicklung des Bereichs Wohnen. In dieser Zeit seien unter anderem die Förderkette entwickelt und die Wohnverbünde gegründet worden. Damit gab es dann fortan eine Leitung, die den Überblick über die verschiedenen Leistungsangebote hatte. „Zuvor hatten die einzelnen Bereiche im stationären und ambulanten Wohnen kaum Berührungspunkte“, erklärt Jörg Namuth. Durch die Einführung der Wohnverbünde seien die Entwicklungsmöglichkeiten der Bewohner*innen besser geworden. „Ich würde schon sagen, dass durch die neuen Strukturen mehr Menschen schneller die passende Wohnform für sich finden konnten“, resümiert er.
Nach rund zweieinhalb Jahren in der Verwaltung wechselte Jörg Namuth nach Jever und leitete dort für sechs Monate den Wohnverbund. Im Jahr 2003 übernahm er die Leitung des Wohnverbunds Südstadt in Wilhelmshaven. „Meine Aufgabe war es, auch dort das Gruppenprinzip zu verfestigen“; erzählt er. Betreute Wohngruppen wurden als stationäres Angebot etabliert. Wohngemeinschaften mit zwei bis sechs Bewohner*innen zogen in normale Mietshäuser und wurden dezentral betreut. Eine Vorgabe vom Land zwang die GPS damals dazu, die Wohngemeinschaften in einem gemeinsamen Haus samt Aufenthaltsraum und Betreuerbüro umzuwandeln. „Wir mussten den stationären Charakter deutlicher machen“, erklärt Jörg Namuth. Er habe das damals als Rückschritt in der Verselbstständigung der Menschen wahrgenommen.
Im Jahr 2014 wechselte der Wilhelmshavener zurück in die Verwaltung, wo er schließlich vor zehn Jahren die Leitung des Geschäftsbereichs Wohnen von seiner Vorgängerin Petra Mingo übernahm. Dabei ging es zu einem großen Teil darum, die Ambulantisierung voranzutreiben. „Inzwischen haben wir ähnlich viele ambulante Betreuungssituationen wie stationäre“; sagt Jörg Namuth.
Eine weitere große Aufgabe: Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG). Damit einher gehe die Änderung einer Haltung. „Es geht weg von der Fürsorge hin zur Assistenz“, sagt Jörg Namuth. Dieser Prozess sei durch die Einführung des Gruppenprinzips im Wohnen bereits eingeleitet worden. „Ich würde sagen, das ist zu 75 Prozent geschafft“, meint der bisherige Geschäftsbereichsleiter.
Durch die Corona-Pandemie habe die Aufbruchsstimmung in Bezug auf das BTHG allerdings einen schweren Dämpfer erlitten. „Das war eine schwere Zeit, Selbstbestimmung war ja beinahe nicht mehr möglich“, erinnert sich Jörg Namuth zurück. Es galt ständig neue Verordnungen, Quarantäneregeln und Kontaktverbote umzusetzen. „Vieles war aber nicht 1:1 auf die Behindertenhilfe umsetzbar“; sagt er und erinnert sich an nächtliche Telefonkonferenzen, um den Dienst am nächsten Morgen ab 6 Uhr zu sichern. „Das hat viel Kraft gekostet, aber es hat auch die Kollegen aus den verschiedenen Bereichen enger zusammengeführt“, sagt er.
Seit dem Ende der Pandemie war der Geschäftsbereich Wohnen schwerpunktmäßig mit der Personalgewinnung beschäftigt. Ein Dauerthema. Denn auf der einen Seite beschäftigt die GPS mehr Personal, als laut Landesrahmenvertrag vorgesehen ist und somit refinanziert wird. Auf der anderen Seite basiert dieser Vertrag auf der Lebenswirklichkeit längst vergangener Zeiten und passt nicht mehr ansatzweise zu den Anforderungen von heute. „Wir haben also mehr Personal als wir dürfen, aber weniger, als wir brauchen“, fasst er die Situation zusammen.
In den letzten eineinhalb Jahren war es außerdem ein großes Thema, ein Nachfolgeangebot für das „Windrad 5“ zu erschaffen. Mit der „WG Zuhause“, ist das gelungen. Sie ist ein Modellprojekt, das landesweit seinesgleichen sucht. Zwar konnte die neue Wohngemeinschaft noch nicht bezogen werden. Die GPS hat aber bereits ein Haus gekauft, das derzeit umgebaut wird. Hier werden die jungen Erwachsenen einziehen, die bislang innerhalb des Heilpädagogischen Wohnverbunds im „Windrad 5“ gelebt haben. Ohne dieses neue Angebot, hätte es für sie aufgrund ihres besonders hohen Hilfebedarfs keine Möglichkeit mehr gegeben, ein Wohnangebot zu finden. „Ich werde natürlich weiterverfolgen, wie es mit der WG weitergeht“, sagt Jörg Namuth und nennt dieses Projekt eine Herzensangelegenheit.
Seit dem 1. Oktober ist Jörg Namuth nun zu Hause. Der Schritt dorthin ist ihm nicht schwergefallen. „Ich weiß, dass ich den Geschäftsbereich in sehr gute Hände abgeben habe“, sagt er. Anne Blankemeyer hatte die Leitung bereits am 1. Juli übernommen. „Ein neuer Blickwinkel wird dem Geschäftsbereich gut tun“, sagt Jörg Namuth. Was er mit seiner neu gewonnenen Freizeit anstellen wird, weiß der 64-Jährige noch nicht so genau: „Ich glaube nicht, dass ich gar nichts tun werde. Aber ich möchte es einfach entstehen lassen.