Ein Jahr Grundwehrdienst bei der Bundeswehr war für junge Männer noch bis vor zwölf Jahren ganz selbstverständlich der nächste Schritt nach dem Ende der Schulzeit. Wer sich gegen den Dienst an der Waffe entschied, konnte stattdessen Zivildienst im sozialen Bereich machen. Mit der Aussetzung der Pflicht zum Grundwehrdienst ist auch der Zivildienst weggefallen.
Die Auswirkungen dieser Entscheidung sind heute deutlich spürbar. In vielen Bereichen der Gesellschaft fehlt es an Unterstützung. Deutlich weniger junge Menschen als früher entscheiden sich für einen Freiwilligendienst. Das hat fatale Folgen. Denn ein Freiwilliges Soziales Jahr ist häufig der Einstieg in ein Berufsleben im sozialen Bereich. „Mit der Entscheidung von damals ist der Kit verloren gegangen, der die Gesellschaft zusammenhält“, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Siemtje Möller. Junge Menschen müssen sich nicht mehr zwingend einmal mit dem Gedanken auseinandersetzen, in welcher Weise sie der Gesellschaft etwas zurückgeben können.
Die Politikerin war auf Einladung von Christian Künken, Leiter Freiwilligendienste und Ehrenamt, zu Gast bei der GPS in Wilhelmshaven. Mit Geschäftsführer Klaus Puschmann, Christian Künken und Bastian Hetzer aus der Abteilung FSJ sprach sie über die Zukunft der Freiwilligendienste. Die Bundesregierung plant für das kommende Jahr nach wie vor massive Kürzungen in dem Bereich. Schon in diesem Jahr mussten die Träger mit 7,5 Prozent weniger Förderung zurechtkommen. „Mehr können wir nicht verschmerzen“, machte Künken deutlich.
Sollte weiter gekürzt werden, würden unzählige FSJ-Stellen wegfallen und das Rahmenprogramm für die verbleibenden Freiwilligen müsste ebenfalls zusammengestrichen werden. Gerade die pädagogische Begleitung der jungen Menschen mache den Freiwilligendienst jedoch attraktiv. „Hinzu kommt, dass immer mehr junge Menschen mit massiven psychischen Problemen zu uns kommen. Soziale Ängste oder Depressionen sind häufig Thema“, erklärte Christian Künken. Das FSJ gebe diesen Menschen die Chance, sich für ihren weiteren Weg zu stabilisieren.
„Wenn die geplanten Kürzungen so durchgesetzt werden, werden wir an einigen Stellen die Türen schließen müssen“, sagte Klaus Puschmann. Das Thema Wiederbelebung der Wehrpflicht müsse seiner Ansicht nach deshalb zwingend mit dem Thema Freiwilligendienst gemeinsam geplant werden. Auch die Demokratiebildung werde darunter leiden, wenn junge Menschen sich nicht mehr einbringen und im Sozialdienst lernen, wie mit den Schwächsten unserer Gesellschaft umgegangen werden sollte.
Da das Thema Wehrdienst in den Bereich des Verteidigungsministeriums gehört, die Freiwilligendienste jedoch nicht, könne Minister Pistorius diesen Bereich nicht mit planen, erklärte Möller. Dennoch sagte sie zu, dem Familienministerium, in dessen Zuständigkeit die Freiwilligendienste fallen, Gesprächsangebote zu machen, um gemeinsam eine Lösung zu finden. Die Idee des Auswahlwehrdienstes sieht vor, dass aus der Zahl derer, die sich freiwillig zum Wehrdienst melden, 5.000 bis 10.000 Freiwillige ausgewählt werden. „Allen anderen sollten wir Angebote machen können, wie sie sich anderweitig einbringen können“, sagte Möller. Denn der Fakt, dass sie sich einmal gemeldet haben, zeige ja ihre grundsätzliche Bereitschaft.
Christian Künken gab Möller einen Vorschlag an die Hand, wie der Freiwilligendienst wieder für mehr junge Menschen attraktiv gemacht werden könnte. Er stammt von den Zentralstellen der Freiwilligendienste im In- und Ausland. Darin wird ein Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst gefordert. Alle Freiwilligen sollen ein staatlich finanziertes Freiwilligengeld auf BAföG-Niveau erhalten. Außerdem sollen Einladungen zu Beratungsgesprächen verschickt werden, in denen sich junge Menschen über die unzähligen Möglichkeiten eines Freiwilligendienstes informieren können. „Viel mehr (junge) Menschen werden die Frage: „Will ich einen Freiwilligendienst machen?“ mit „Ja“ beantworten“, heißt es in dem Papier. Dafür müsste die Bundesregierung aber Geld in die Hand nehmen, sagte Christian Künken.