Neues aus der GPS

In der Ebkeriege kann die Seele ankern

Sozialpsychiatrische Tagesstätte gibt Menschen eine Struktur

Mit der Eröffnung des Hauses wurde vor 25 Jahren eine wichtige Lücke in der Tagesbetreuung von psychisch kranken Menschen in Wilhelmshaven geschlossen.
Vanessa Hülsmann (links), Silvia Zahn-Claus und Matthias Adler feiern zusammen mit ihren Teilnehmer*innen das 25-jährige Bestehen der Tagesstätte Ebkeriege mit einem Sommerfest. Foto: Kristin Hilbinger

Wie sieht meine psychische Erkrankung eigentlich aus? Mit dieser Frage beschäftigen sich gerade Klient*innen in der sozialpsychiatrischen Tagesstätte Ebkeriege. Sie erschaffen eine Maske und wollen dem Thema, das so viel Raum in ihrem Leben einnimmt, damit ein Gesicht geben. Die Teilnehmenden haben die Gruppe, in der sie ihre Masken erschaffen, „Seelenanker“ genannt. „Weil hier eben ihre Seele ankern kann“, sagt die Ergotherapeutin Silvia Zahn-Claus. Sie bildet zusammen mit Matthias Adler und Vanessa Hülsmann das Team der Tagesstätte.

Ein fester Anker ist etwas, was die 22 Frauen und Männer, die die Tagesstätte täglich besuchen, dringend brauchen. Sie alle haben traumatische Erfahrungen in ihrem Leben gemacht, die ihnen jeglichen Halt genommen haben. Sie sind aufgrund ihrer psychischen Erkrankung nicht in der Lage, einer Arbeit nachzugehen oder alleine für eine Tagesstruktur für sich zu sorgen. „Vielen fehlt zu Hause das soziale Umfeld. Sie sind dort alleine und ihre Gedanken kreisen ununterbrochen um ihre Erkrankung“, erklärt Matthias Adler.

Wer Teilnehmender in der Tagesstätte wird, muss mindestens 20 Stunden in der Woche anwesend sein. Das gibt dem Leben der Klient*innen wieder eine Struktur. Und das seit 25 Jahren. Am 31. Mai 1999 hat die GPS die Tagesstätte eröffnet. Das wird diese Woche mit Ehemaligen und geladenen Gästen gefeiert. „Mit der Eröffnung wurde damals eine wichtige Lücke in der Tagesbetreuung psychische kranker Menschen geschlossen“, sagt Adler. Er ist von Anfang an in dem Haus tätig und leitet die Tagesstätte.

Die Teilnehmenden bekommen dort Hilfe zur Selbsthilfe. Sie werden dabei unterstützt, wieder ein möglichst selbstständiges Leben führen zu können. Für die Zeit nach der Tagesstätte gibt es verschiedene Wege. Die meisten Teilnehmenden konnten so stabilisiert werden, dass sie mit wenig Unterstützung in einer eigenen Wohnung leben konnten. Einige wenige führte der Weg in die ARTEC. In der GPS-Werkstatt in Roffhausen arbeiten psychisch erkrankte Menschen. Andere besuchen die Tagesstätte viele Jahre.

Das Wichtigste ist, dass die Klient*innen einen Weg finden, wie sie stabil bleiben können. Viele erlebten bisher einen Kreislauf aus Klinikaufenthalten und häuslichem Umfeld. Nicht selten wurden sie zwangseingewiesen. Durch die Teilnahme in der Tagesstätte wird dieser „Drehtüreffekt“ in den meisten Fällen unterbrochen. Bei etwa 95 Prozent der Teilnehmenden kann ein Psychiatrieaufenthalt verhindert werden.

In der Tagesstätte geht es um Beziehungsarbeit und Vertrauensaufbau. Die Menschen, die dort sind, haben so dramatische Dinge erlebt, dass sie erst einmal nichts und niemandem mehr vertrauen. Viele haben Beziehungsabbrüche erlebt und sind einsam. Häufig spielen große Ängste eine Rolle. Alltägliche Dinge sind ihnen unmöglich. „Wir hatten mal eine Klientin, die zwei Wochen gehungert hat, weil sie sich nicht getraut hat, etwas zu essen einzukaufen“, nennt Silvia Zahn-Claus ein Beispiel. Das Team übt diese Dinge mit den Klient*innen. Einkaufen oder Telefonieren stellt für die Teilnehmenden manchmal Hürden dar, die sich ein gesunder Mensch nicht vorstellen kann.

Jeden Montag planen alle gemeinsam die Woche. Die Frauen und Männer werden eingeteilt in die Hauswirtschaftsgruppe oder die Kreativgruppe. Die Hauswirtschaftsgruppe kauft ein und kocht jeden Mittag ein Essen. In der Kreativgruppe versuchen Silvia Zahn-Claus und Vanessa Hülsmann alles möglich zu machen, wozu die Klient*innen Lust haben. Sei es die Arbeit mit Speckstein, Holzarbeiten oder auch Malen nach Zahlen. „Hier wird alles ausprobiert“, erzählen die Ergotherapeutinnen. Auch im Garten können die Teilnehmenden sich bei der Beetpflege ausprobieren.

Bei gemeinsamen Ausflügen und dem Besuch von Veranstaltungen werden die Klient*innen regelmäßig mit dem Leben außerhalb der Tagesstätte konfrontiert. Das soll ihnen Stück für Stück die Angst vor sozialen Kontakten nehmen Sie sollen erleben, dass in der Gesellschaft anderer Menschen nicht automatisch eine Gefahr droht. „Die Krankheit steht bei allen sehr im Fokus. Aber jeder einzelne ist viel mehr als seine psychische Erkrankung. Das sollen die Teilnehmenden hier lernen“, sagt Matthias Adler.

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