Eine Gruppe Menschen mit Behinderungen in einem Raum. Sie stehen schwingen einen Holzstock mit farbigen dünnen Tüchern hin und her.

„Es ist schön zu sehen, was Musik mit den Menschen macht“

Musikprojekt in der Werkstatt Jeringhave ist für viele Teilnehmer der Höhepunkt ihrer (Arbeits-)Woche.
Eine Gruppe Menschen mit Behinderungen in einem Raum. Sie stehen schwingen einen Holzstock mit farbigen dünnen Tüchern hin und her.

Das Klopfen wird immer lauter und schneller. Konzentriert schlagen die Teilnehmer des Musikförderprojekts die Klanghölzer aufeinander, bleiben im Takt, haben ihren Rhythmus gefunden. Bernd Grafe steht in der Mitte des Stuhlkreises, reißt plötzlich die Arme auseinander. „Stopp“ heißt dieses Zeichen und sofort herrscht Stille im Raum. Die Teilnehmer lächeln, ihre Augen strahlen. Für sie hat soeben ein Höhepunkt ihrer Woche begonnen.

An jedem Mittwochnachmittag kommen Beschäftigte aus der Tagesförderstätte und aus zwei Arbeitsbereichen im Wintergarten der Werkstatt in Jeringhave zusammen. Im lichtdurchfluteten Raum sitzen sie im Kreis zusammen, fühlen die Musik und was sie mit ihnen macht. Angeleitet werden sie von Bernd Grafe von der Musikschule „Creativ Centrum“ in Rastede. Das Projekt ist im Oktober 2020 mit finanzieller Unterstützung des Fördervereins der Werkstatt entstanden. Die Familie von Florian Heyen, der in der Tagesförderstätte betreut wird, hat mit weiteren Spenden dafür gesorgt, dass es aktuell noch für ein Jahr gesichert ist.

„Es ist immer wieder schön zu sehen, was Musik mit den Menschen macht“, erzählt Bernd Grafe. Jeder mache mit – so gut er eben könne. Von leichten Bewegungen im Rollstuhl bis zum beherzten Einsatz der Rhythmusinstrumente spiegelt sich auch hier die gesamte Bandbreite wider. Jeder kann teilhaben, für jeden gibt es die passende Möglichkeit, zu musizieren. Die Teilnehmenden genießen das sichtlich, wer in ihre Gesichter blickt, sieht Lebensfreude pur. „Wir haben sogar Autisten in der Runde, die diese Stunde und die damit verbundene Lautstärke nicht nur aushalten“, sagt Bernd Grafe, „sie machen hier richtig mit, das ist einfach schön zu beobachten“.

In der Mitte des Stuhlkreises hat Bernd Grafe an diesem Nachmittag viele Instrumente aufgestellt. Nach und nach verteilt er sie an die Teilnehmenden. Dann erklingen die ersten Töne eines wohlbekannten Stückes: „What shall we do with the drunken sailor“. Torsten spielt das Stück auf dem Akkordeon. Der Beschäftigte ist seit Dezember 2022 beim Musikprojekt dabei und hat sichtlich großen Spaß daran, sein Können hier zu zeigen. Die Teilnehmenden freuen sich, bewegen ihre Körper zur Musik, jauchzen und singen mit. Auch die Fachkräfte sind gefragt – und erweisen sich als textsicher.

Unterstützt wird Bernd Grafe bei diesem Projekt von Phillip Theesfeld. Der 20-Jährige hat die Inselbegabung Musik, gibt Konzerte – unter anderem auf seinem eigenen TikTok-Kanal. 17.200 Menschen folgen ihm und schauen regelmäßig zu, seine Videos haben teilweise Likes im sechsstelligen Bereich.

Bernd Grafe ist seit acht Jahren der Schulbegleiter des jungen Mannes. Als der im vergangenen Herbst für ein Praktikum in der Werkstatt Jeringhave war, nahm er selbstredend auch am Musikprojekt teil – und blieb ein Teil davon als sein Praktikum schon längst wieder beendet war.

Mittlerweile klingt „La Cuharacha“ aus dem Projektraum. Die Teilnehmenden schlagen ihre Klanginstrumente aufeinander, Bernd Grafe steht in der Mitte und dirigiert. Auch er ist mit Herzblut und Feuereifer dabei, hilft, singt, spielt Instrumente – und hat dabei zu jederzeit ein glückliches Strahlen in den Augen. Auch bei diesem Stück bleiben dank ihm alle im Takt, haben ihren Rhythmus gefunden, fühlen die Musik. Die wird sie die Woche über begleiten – genau wie die Vorfreude auf den nächsten Termin.

Pfeile

Eindrücke aus dem Musikförderprojekt

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