Normalerweise ist Niclas Wiese in der Primarstufe der Schule an der Deichbrücke zu finden. Dort arbeitet der 23-Jährige seit einem Jahr. Sein Freiwilliges Soziales Jahr hat er inzwischen um sechs Monate verlängert. Die Arbeit mit den Kleinsten in der Schule macht ihm großen Spaß. Er wird in der Pflege eingesetzt, spielt und beschäftigt sich mit den Kindern, unterstützt die Fachkräfte in ihrer Arbeit.
Doch bei aller Freude an seiner Tätigkeit weiß er auch um die Probleme in diesem Bereich. Die finanzielle Förderung seitens des Bundes wurde schon im vergangenen Jahr gekürzt. Die nun gescheiterte Ampel-Regierung hatte weitere Kürzungen für das kommende Jahr angekündigt. Sollte das geschehen, würden zahlreiche FSJ-Stellen wegfallen und damit wichtige Menschen in den Einrichtungen fehlen.
Niclas Wiese musste deshalb nicht lange überlegen, als er davon hörte, dass Bundeskanzler Olaf Scholz 60 Freiwilligendienstler*innen ins Bundeskanzleramt einlädt, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Auch aus den vielen Mitgliedsorganisationen des Paritätischen wurden Freiwillige für den Besuch ausgesucht. Niclas Wiese meldete Interesse an und tatsächlich wurde sein Name aus der Lostrommel gezogen. „Ich gehe gerne in den Diskurs, auch in den politischen. Deshalb wollte ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, nach Berlin zu fahren“, sagt der Wilhelmshavener.
Am 5. Dezember, dem Tag des Ehrenamts, war es soweit. Zusammen mit 59 anderen Freiwilligen aus den unterschiedlichsten Bereichen in ganz Deutschland, traf er den Bundeskanzler. Der bedankte sich für das Engagement der jungen Menschen. Diese verliehen in einer einstündigen Fragerunde ihrer Forderung nach einem Rechtsanspruch auf freiwilliges Engagement Ausdruck. „Wenn man eine eigene Wohnung hat und sich selbst versorgen muss, ist die derzeitige Bezahlung im Freiwilligendienst derzeit eigentlich zu gering, um sich das leisten zu können“, erklärt Niclas Wiese. Der Bundeskanzler sagte zu, sich dafür einsetzen zu wollen, dass jeder, der es möchte, auch die Chance bekommt, sich zu engagieren. Er wolle den Ausbau der Freiwilligendienste unterstützen, sagte er seinen Gästen.
Die Freiwilligen nutzten die Gelegenheit, um auch nach anderen Themen zu fragen. Viele trieb der Rechtsruck in der Gesellschaft um. Sie wollten wissen, was der Bundeskanzler, sollte er im Amt bleiben, dagegen tun möchte. Niclas Wiese hätte sich deutlichere Worte vom Bundeskanzler gewünscht. Er hätte ihn auch gern eingeladen, sich die Arbeit der Freiwilligen vor Ort in den Einrichtungen einmal anzuschauen. Die Gelegenheit ergab sich für ihn aber leider nicht.
Zurück in Wilhelmshaven das Fazit des FSJlers: „Es war natürlich interessant, den Bundeskanzler zu treffen. Sehr aufschlussreich war es leider nicht.“